Große Unternehmen, wie auch kleine und mittlere Betriebe bemühen sich in der heutigen Zeit Sicherheitsrisiken und Fehlerpotenziale systematisch aufzudecken und daraus zu lernen. Mit bis ins kleinste Detail definierten Prozessen legen die Unternehmen fest wie Mitarbeiter und auch die Führungskräfte bei Unfällen reagieren sollen, was bei Qualitätsproblemen oder auftauchenden Risiken zu tun ist und welche Anpassungen und Veränderungen zu erfolgen haben.
Verhaltensbasierte Fehler
Fehler, die aufgrund menschlichen Versagens oder Fehlverhaltens entstehen, sind eine besondere Herausforderung für das Unternehmen, da diese normalerweise nicht vorhersehbar sind und somit unerwartet auftreten. Verhaltensbasierte Fehler treten bei unterschiedlichen Menschen und auch in verschiedenen Situationen auf und stellen daher Risiken dar, die nicht kalkulierbar sind. Um diese Risiken zu minimieren, sind Unternehmen auf die Mitarbeit der Beschäftigten angewiesen, denn diese können aufgrund ihrer täglichen Routine und Erfahrung am ehesten wissen, wo mit Probleme auftreten, risikoreiches Verhalten vorkommt und wo in der Regel die meisten Fehler passieren können. Diese Art des Mitwirkens und Miteinbringens funktioniert jedoch nur in einer offenen Fehlerkultur.
Fehlerkultur verändern – aber wie?
Unternehmenskultur ist nicht das, was in Imagebroschüren steht, sondern das, was tagtäglich von den Beteiligten kultiviert wird — also das, was Führungskräfte und Mitarbeiter erleben, was sie vorleben, durchleben, bei anderen beobachten, an Resonanz (Lob, Tadel, Ignoranz) auf ihre Aktivitäten erfahren und damit als gewollt, egal, geduldet oder sanktioniert wahrnehmen.
Man verändert die Kultur einer Organisation nicht dadurch, dass man ein neues Leitbild aufstellt und dieses kommuniziert, sondern erst dadurch, dass die Menschen in ihrem Umfeld beobachten und erfahren können, dass das Verhalten aller anderen diesem Leitbild entspricht.
Erleben Menschen in einem Betrieb beispielsweise, dass sie Ärger bekommen, wenn ihnen ein Fehler passiert, dass man sie auslacht oder danach jeden ihrer Arbeitsschritte überprüft, wenn sie merken, dass ihr Vorgesetzter eher abwinkt, wenn sie einen Verbesserungsvorschlag einbringen oder sie nie wieder etwas dazu hören, werden sie ihr Verhalten entsprechend anpassen. Auf dieses Beispiel bezogen, würde das heißen, dass sie tendenziell Fehler eher vertuschen und Verbesserungsideen für sich behalten würden.
Möchte man eine solche Kultur und die damit verbundenen Verhaltensgewohnheiten eines Unternehmens verändern, braucht es auf jeden Fall Unterstützung für die Beteiligten. Ein „so machen wir es künftig nicht mehr“ reicht nicht aus. Kulturveränderung funktioniert nicht per Schalter umlegen, sondern ist ein Prozess, der wiederum über Lernen und Trainieren neuer Verhaltensgewohnheiten funktioniert. Und zu diesen neuen, künftig gewünschten Verhaltensgewohnheiten braucht es erst einmal eine Idee, wie diese überhaupt aussehen können.
Wie funktioniert eine positive und offene Fehlerkultur?
Claudia Metzger vom Beratungsunternehmen t&t erklärt, dass in einer offenen Fehlerkultur niemand Angst haben muss, wenn er Risiken und Fehler offenlegt. Nur so bieten und entwickeln sich neue Möglichkeiten zur Verbesserung, zu Lösungsansätzen und Lernchancen. Fehler sollten also immer konstruktiv behandelt und betrachtet werden und als Baustein für die Entwicklung von Maßnahmen genutzt werden.
Vermittelt das Management, dass niemand Angst haben muss, Fehler zuzugeben, nimmt das den Druck von den Mitarbeitern. Das wiederum bewirkt eine stressfreie Arbeitsatmosphäre, in welcher motivierter und produktiver gearbeitet werden kann.
Will man eine „andere“, nämlich konstruktive, Lern- und Fehlerkultur, und besonders das viel zitierte „wir begreifen Fehler als Lernchancen“, „wir sprechen Fehler offen an“ oder „wir schätzen die Erfahrungen unserer Mitarbeiter“, müssten die Menschen in dieser Kultur unter anderem folgendes Verhalten ihrer Führungskräfte und Kollegen wahrnehmen:
- Die Führungskräfte bleiben ruhig und gelassen, wenn ein Mitarbeiter über einen Fehler spricht.
- Die Führungskräfte bedanken sich beim Mitarbeiter für dessen Offenheit.
- Die Führungskräfte nehmen sich Zeit und analysieren ohne Vorbewertung, was die Hintergründe für den Fehler waren (d.h. sie erforschen das Risiko, was sich ggf. hinter dem Faktor Mensch verbirgt).
- Die Führungskräfte sprechen regelmäßig mit ihren Mitarbeitern über Fehler, Beinahe-Fehler, Risiken und tauschen sich mit den Mitarbeitern über Lösungsansätze und Verbesserungsmöglichkeiten aus.
- Die Führungskräfte kümmern sich sichtbar um Hinweise zu Problemen und Verbesserungsvorschlägen der Mitarbeiter und halten sie zum Bearbeitungsstand auf dem Laufenden.
Der Weg zur offenen Fehlerkultur beginnt beim Management
Um den Weg zu einer positiven Fehlerkultur zu ebnen, müssen auch die Führungskräfte offen über ihre Fehler sprechen und damit ein positives Vorbild für ihre Mitarbeiter sein. Eine angstfreie und transparente Arbeitsatmosphäre bildet die Grundlage für den Erfolg der Veränderung. Eine offene Fehlerkultur kann nur gelebt werden, wenn auch die Führung diese vorlebt und fördert.
Die Führungsebene bestimmt welchen Stellenwert Sicherheit,Gesundheit, Qualität oder Produktivität im Unternehmen einnehmen. Wenn der Chef von Veränderung spricht, sollte er auch der erste sein, der diese Veränderung lebt. Kein Mitarbeiter wird sich um das Aufdecken von Risiken und Fehlverhalten bemühen, wenn der Vorgesetzte im Gegenzug nur davon spricht, dass es wichtiger sei, schnell zu arbeiten und Lieferfristen einzuhalten. In diesem Fall lernen Mitarbeiter Sicherheitsmängel und Fehler zu verschweigen und zu vertuschen, um nicht negativ aufzufallen.
Möchte man sich also ernsthaft auf den Weg eines Kulturveränderungsprozesses begeben, gilt es,
- sich im ersten Schritt klar zu machen, wo die Reise hingehen sollte, wie sieht also das zu erreichende Ziel aus.
- Im zweiten Schritt den Mitwirkenden konkrete Ideen zu geben, welches Verhalten sie zeigen sollten, sodass sie das alte Verhalten bewusst ersetzen können.
- Und damit das neue Verhalten auch wirklich angewandt und trainiert wird, ist von Anfang an notwendig, dass das Management sich selbst ebenfalls mit neuem Verhalten zeigt und das neue Verhalten der ihnen berichtenden Führungskräfte durch Nachfragen, Loben oder anderer Art des Aufmerksamkeitsschenkens immer wieder verstärkt.
Fazit
Der Wunsch nach einer konstruktiven Fehlerkultur in Unternehmen wird immer größer. Die Zahl der Fehler soll verringert oder gar gegen Null gebracht werden, jedoch erreicht man dieses Ziel nicht durch Sanktionen. Der Umgang mit Fehlern muss geändert werden, denn muss der Mitarbeiter keine Angst vor Bloßstellung, Bestrafung oder gar Kündigung haben, wird er auch offen und ehrlich Missstände, Risiken und Fehler darlegen.
Fehler sollten vielmehr als Möglichkeit zur Beseitigung von Risikofaktoren und Fehlerquellen genutzt werden.
Um eine offene Fehlerkultur erfolgreich im Unternehmen einzuführen und umzusetzen, ist es notwendig, dass die Führungsebene alle beteiligten Mitarbeiter dahingehend aufklärt, welche Ziele mit der Änderung verfolgt werden. Ebenso ist klarzulegen, wie das Vorhaben umgesetzt werden soll und die Führungskräfte sollten als Vorbild mit einer positiven Haltung gegenüber passierten Fehlern fungieren.