Könnten Sie bitte das, was Sie uns eben erzählt haben noch für unsere Manager aufbereiten, so dass die auch mal verstehen, woran es wirklich hängt und wie man gezielter etwas verändern könnte?!
Kaum eine Veranstaltung, die ich in den letzten Jahren mit Qualitätern erlebt und gestaltet habe, die nicht mit dieser Bitte endet.
Aber kann/soll/muss das so sein?
Sollte ein Qualitätsleiter wirklich so machtlos sein, wenn es darum geht, Einstellungs- und Verhaltensänderungsprozesse zur Qualität in Unternehmen zu initiieren?
Klar, es hat seinen Charme, auf die anderen zu zeigen und darauf zu verweisen, dass diese sich ändern sollten. Natürlich – da stimmen wir Organisationsentwickler ja voller Inbrunst zu – funktionieren die großen Unternehmensveränderungsprozesse nicht, ohne dass das Management Vorreiter, Treiber und Mitspieler ist. Aber heißt das im Umkehrschluss, dass immer wieder Teilnehmer meiner Vorträge (zumeist Ihres Zeichens Qualitätsleiter) in der Praxis so ohnmächtig sind – oder sich entsprechend wahrnehmen – dass die einzige Idee lautet: „Das müssen Sie auch unseren Chefs beibringen!“?
Ich hoffe doch nicht. Auch wenn vielleicht der ganz große Wurf wirklich nicht ohne die Top-Ebene zu stemmen ist, so sollten wir alle dann doch überlegen, welche Handlungsoptionen der Einzelne selbst hat. Und ich sehe hier durchaus Chancen, Veränderungen im Denken und Handeln von Unternehmensmitspielern anzustoßen.
Suchen Sie sich Verbündete
Zum Beispiel, indem man sich einen engagierten Partner (eine engagierte, motivierte Führungskraft) sucht, der sozialkompetent, offen für etwas Neues und bereit ist, eine andere Art des Verhaltens und/oder bestimmte zeitliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Und – angenommen (und davon bin ich überzeugt) diese Änderung hat positive Wirkung auf Qualität, Produktivität, Motivation, etc., denken Sie nicht, dass dies der Motor und Motivator für weitere Führungskräfte wäre, hier Ihre Ideen und Kompetenzen nicht auch einsetzen zu wollen?
Wichtige Fragen zur Auswahl des Partners:
- Welche Führungskraft hat einen gewissen Druck zur Qualitätsverbesserung. Kurz: Wo würden Aktionen zu sichtbaren und für andere attraktiven Ergebnissen führen (schließlich weiß jeder Verkaufsexperte: verkauft wird entweder aus Angst und/oder Gier. Und hier würde beides greifen: Gier: das möchte ich auch haben, so möchte ich meine Abteilung auch verbessern, die Anerkennung von meinem Chef möchte ich auch bekommen. Angst: Hilfe, wenn ich das nicht auch mache, werde ich abgehängt)?
- Welche Führungskraft verfügt über die nötigen Ressourcen, um einen Veränderungsprozess zur Qualität durchzuführen? Veränderungsprozesse – so wie wir sie verstehen – sind nun einmal Lernprozesse, die neben der nötigen Lernhaltung auch Zeitinvest für Gespräche mit den Mitarbeitern, Bearbeitung von Maßnahmen und Information der Mitarbeiter bedeuten.
- Welche Führungskraft ist offen, kooperativ und motiviert, sich auf einen Veränderungsprozess einzulassen und neue Wege zu beschreiten – und verfügt bestenfalls noch über ein Grundtalent zur wertschätzenden-orientierenden Führung und Spaß an Kommunikation? Im Falle unseres Einstellungs- und Verhaltensänderungsprozesses zur Qualität, EVprocess®Q, aber auch bei jeder anderen Veränderung der Fehler- und Lernkultur würde das z.B. heißen, sich auf ein anderes Führungsverhalten einzulassen und beispielsweise das Thema Qualität häufiger und lebendiger zu thematisieren, regelmäßig so genannte Lernsettings (z.B. den Risiko-Lerngang®) in einer interessierten Lernhaltung durchzuführen und die „Grundregeln gelungener Veränderungsprozesse“ zu leben.
Ändern Sie Ihr eigenes Verhalten
Zum Beispiel, wenn Sie (ganz persönlich!) in Ihrer Eigenschaft als Interner Auditor, Reklamationsbearbeiter, Fehlerursachenforscher, etc. Ihr eigenes Verhalten verändern. Oder um es konkret zu benennen, selbst eine andere Haltung, eine andere Kommunikation aufbauen und interessiert, lernend, voller Wertschätzung vor dem Erfahrungsschatz der Mitarbeiter mit diesen regelmäßig ins Gespräch gehen und dadurch mit einer anderen Art des Fragenstellens von Störungen, Ärgernissen, Zeitfressern und Risiken erfahren, die Ihr Unternehmen um Quantensprünge – und ich glaube nicht, dass ich mich hier zu weit zum Fenster hinaus lehne – weiterbringen. Und auch hier wäre es möglich, selbst aktiv zu werden und das Thema Qualität lebendiger und mit positiven Signalen an die Belegschaft zu bringen. Können Sie sich nicht auch vorstellen, dass manch eine Führungskraft offen wäre, wenn Sie ab und an in einer Gruppenbesprechung über Qualität jenseits von Zahlen, Daten, Fakten sprechen würden und „emotionale Botschaften“ verkaufen oder sogar vermitteln, dass Qualität Spaß machen kann?
Wichtige Fragen zum persönlichen Beitrag:
- Wie könnte Ihr Beitrag aussehen, der den Mitarbeitern und Führungskräften im Unternehmen vermittelt, dass Sie es ernst meinen mit einem neuen persönlichen Einsatz zur Qualität?
- Woran würden Ihre eigenen Mitarbeiter erkennen, dass Sie es ernst meinen? Welche Dinge würden Sie spürbar anders leben als vorher?
- Was müssten Sie persönlich verändern (an sich, Ihrer Abteilung, dem Verhalten Ihrer Mitarbeiter, …), um glaubhaft und wahrnehmbar für die anderen einen Unterschied abzubilden?
Verkaufen Sie Qualität anders
Zum Beispiel, in dem Sie das Thema Qualität gut und vielleicht sogar anders verkaufen? So bietet ein Qualitätsverständnis, das Qualität ganzheitlicher betrachtet und den Blick über die eigentliche Produktqualität hinaus weitet auf die Qualität von Führungsverhalten, Informationsfluss, Zusammenarbeit an Schnittstellen und weiteren Aspekten von Unternehmenskultur, Strukturen und menschlichem Miteinander, die große Chance direkt auch positiven Einfluss auf Produktivität, Liefertreue oder Profitabilität zu nehmen. Von den glücklichen Auswirkungen auf die „weichen Faktoren“ wie Motivation, Engagement, Mitdenken ganz zu schweigen. Qualität als Mittel der Profitabilitätssteigerung verstanden bringt auch den Qualitäter in die Rolle des Profitabilitätsförderers.
Wichtige Fragen:
- Wie sieht mein eigenes Verständnis vom Qualitätsbegriff aus?
- Was muss ich persönlich verändern, damit ich das neue ganzheitliche Verständnis von Qualität gut verkaufen kann (an mir und meinem eigenen Verhalten, in meiner Abteilung, bei meinen Mitarbeitern, …)
- Welchen Beitrag kann/möchte ich leisten, um das neue Verständnis zu forcieren? Wie sieht meine Rolle/Stellenprofil in einem Unternehmen aus, das einen ganzheitliches Qualitätsverständnis lebt?
Gestalten Sie Ihr Qualitäts- und Rollenverständnis neu
Zum Beispiel, in dem Sie – mit dem oben genannten Qualitäts- und Rollenverständnis ausgestattet – Ihr Profil entsprechend verändern. Was in erster Konsequenz bedeutet: den „Service-Vertrag“ als Qualitätsabteilung aktiv und konkret zu gestalten und mit ihrer Leitung und den internen Kunden abzustimmen. „Meine Mitarbeiter springen in die Presche und kümmern sich um Themen, die von anderen Abteilungen nicht versorgt werden oder deren Zuständigkeit nicht klar geregelt ist.“
Oder „Wir – nicht der Vertrieb – stehen am Pranger und müssen uns entschuldigen, wenn Dinge schief laufen – also kümmern wir uns lieber gleich darum, dass es gut gemacht wird.“. So oder so ähnlich lauten Aussagen von Qualitätern, die es gut meinen.
Doch leider entstehen mit dem gut Meinen Magnete, die magisch die Verantwortung für Qualität von der jeweiligen Fachabteilung weg (wo sie definitiv hingehört!) zum Qualitäter ziehen. Damit ist die Verantwortung für das Thema jedoch an einer Stelle, die mangels Einflussmöglichkeiten diese Verantwortung nicht übernehmen kann.
Vom Frustrationspotenzial für den Einzelnen wollten wir an dieser Stelle gar nicht erst anfangen. Klare „Service Level Agreements“, die klar, konkret und kleinschrittig die Aufgaben, Dienstleistungen und Handlungsspielräume zwischen Qualitäts- und Fachabteilung beschreiben, wären hier also das Mittel der Wahl.
Gleichzeitig birgt das neue Profil die Chance auf ein neues Selbstverständnis: wer klar hat und von wem klar ist, wann und wie er als Unterstützer oder Berater fungiert und wann und wie er hoheitliche Qualitätsaufgaben wahrnimmt, der kann sich mit einem entsprechenden Selbstverständnis besser nach außen hin verkaufen. Und wer sich als Experte und Berater versteht und präsentiert, wird auch eher als geachteter Mitspieler erlebt.
Wichtige Fragen, um sich in eine andere Position zu bringen:
- Welche Aufgaben müssen wir als Qualitäter beibehalten?
- Wohin möchten wir uns als Qualitätsabteilung entwickeln? Wie sieht unser künftiges Rollenverständnis aus?
- Wohin müssen wir unsere Mitarbeiter entwickeln? Welche neuen Kompetenzen braucht es? Wie können wir diese aufbauen?
Fazit
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten für Qualitäter, auch ohne die komplette hierarchische Macht zu besitzen, Einfluss zu nehmen auf Qualitätsverhalten im Unternehmen. Sich die eigene Handlungskompetenz immer wieder zu vergegenwärtigen, ist daher der erste Schritt in die richtige Richtung: Qualitäter macht/Macht!
Und wenn dies alles nicht gelingen sollte, bleibt immer noch die Frage übrig, ob man nicht in einem anderen Unternehmen/einer anderen Umgebung – die das eigene Engagement stärker zu würdigen weiß — glücklicher werden würde….
Claudia Metzger hat zu diesem Thema einen Artikel für die QZ 10/2018 geschrieben, diesen können Sie sich