VDSI-Vortrag: „Einstel­lungs- und Verhal­tens­än­derung zur Arbeits­si­cherheit als Lernprozess in Unter­nehmen“

Arbeits­un­fälle sind heutzutage in den seltensten Fällen rein technisch bedingt. Ihre Ursachen­kette umfasst in der Regel viele Faktoren, wobei verhal­tens­be­dingte Ursachen eine immer wesent­li­chere Rolle spielen. Die Reaktionen der Führungs­kräfte und Mitar­beiter bei verhal­tens­be­dingten Unfällen sind vielfältig und können von Ignorierung bis hin zum Aufbau von Druck oder Sanktionen reichen, mit jeweils unter­schied­lichen, aber durchaus kurzfris­tigen Wirkungen. Häufig lässt sich dann beobachten, dass sich Führungs­kräfte und Mitar­beiter eine „Scheinwelt” aufbauen, die zwar für das Management kurzfristig gut aussieht, in Wirklichkeit aber arbeiten sie nach wie vor so weiter wie zuvor. Wenn dann plötzlich ein schwerer Unfall passiert, bricht diese „Scheinwelt” in sich zusammen und die Suche nach Schul­digen beginnt. Statis­tiken belegen, dass heute fast 90% der Arbeits­un­fälle einen verhal­tens­be­dingten Hinter­grund haben; ein Wert, der zwangs­läufig die Frage aufwirft, wie und mit welchen Mitteln ein Plus an sicheren Verhal­tens­weisen und Zuständen in den Betrieben erreicht werden kann?

Hilfe­stellung bei der Beant­wortung dieser Frage lieferte in ihrem Vortrag Frau Claudia Metzger von der Fa. t&t Organi­sa­ti­ons­ent­wicklung GbR, einem auf die Durch­führung von Prozessen zur Einstel­lungs- und Verhal­tens­än­derung in Unter­nehmen zu den Themen Arbeits­si­cherheit, Qualität, Effizienz und Führung spezia­li­sierten Beratungs­un­ter­nehmen mit Sitz in Hainfeld.

In vielen Betrieben stellt das Führungs­mittel “Unter­weisung” die einzige Einfluss­nahme von Unter­nehmern und Führungs­kräften auf das sicher­heits­ge­rechte Verhalten der Mitar­beiter dar. Schulungen und Unter­wei­sungen gelten dabei als die wichtigsten Instru­mente, dass Beschäf­tigte die Arbeits­schutz­maß­nahmen richtig verstehen und sich sicher­heits­ge­recht verhalten. Dabei ist zu beobachten, dass eine immer weitere Inten­si­vierung von Schulungs- und Unter­wei­sungs­maß­nahmen in den Unter­nehmen häufig nicht zu den gewünschten Erfolgen führt, da keine echten, nachhal­tigen Verän­de­rungen erreicht werden. Möchte man ständig sinkende Unfall­kenn­zahlen erreichen, die auch halten, was sie versprechen, muss man sich primär mit einer Einstel­lungs- und Verhal­tens­än­derung von Führungs­kräften und Mitar­beitern beschäf­tigen. Dies geht aber nicht so nebenbei, sondern benötigt ein struk­tu­riertes und an der Kultur des Unter­nehmens orien­tiertes Vorgehen.

Das von der t&t entwi­ckelte Programm „Einstel­lungs- und Verhal­tens­än­derung in der Arbeits­si­cherheit“ (kurz „EVA“) unter­stützt die Betriebe dabei, neue zieldienliche Einstel­lungen und sichtbare Verhal­tens­weisen aufzu­bauen, die wirklich eine positive Verän­derung bei Führungs­kräften und Mitar­beitern bewirken und die gleich­zeitig, bei entspre­chendem Engagement des Betriebes, nachhaltige Wirkung zeigen. Da hierbei alle Hierar­chie­ebenen aktiv einge­bunden sind, ist es möglich, eine echte, lebendige Arbeits­si­cher­heits-Kultur im Unter­nehmen aufzu­bauen. Dabei werden zunächst in den Betrieben die sog. förder­lichen und hinder­lichen Kultur­ele­mente der bestehenden Organi­sation analy­siert, die stets in Wechsel­wirkung zu einer Arbeits­si­cher­heits-Kultur stehen. Darauf aufbauend werden betriebs­spe­zi­fische, passende Ziele definiert und proble­ma­tische Gewohn­heits­muster identi­fi­ziert, die in positive Zielbe­schrei­bungen (Perspek­tiv­muster) umgewandelt werden. Dabei können bereits vorhandene Arbeits­si­cher­heits-Struk­turen und Prozesse auf ihre optimale Zieldienlichkeit geprüft, neue entwi­ckelt oder ergänzt werden.

Zunächst müssen also proble­ma­tische Gewohn­heits­muster für die Führungs­kräfte und Mitar­beiter erkennbar werden, denn nur wer Verhal­tens­weisen und –muster, die zu Unfällen führen können, recht­zeitig erkennt, kann handeln, bevor ein Unfall passiert. Das Programm liefert hierzu eine Plattform (Gefähr­dungs­muster), auf der unsichere Zustände und Handlungen oder Verhal­tens­muster im Verlaufe von regel­mä­ßigen Rundgängen identi­fi­ziert und analy­siert werden können und — damit auch besprechbar machen. Führungs­kräfte und Mitar­beiter erfahren dabei auch, was die Wahrnehmung solcher Verhal­tens­weisen für sie in der Vergan­genheit erschwert oder gar nicht erst erlaubt hat. Die von t&t entwi­ckelten Gefähr­dungs­muster verändern die Wahrnehmung im Alltag und schaffen ein neues Risiko-Bewusstsein und einen verstärkten Blick für Unfall­ge­fahren. Von beson­derer Bedeutung ist dabei die Standar­di­sierung: Nur regel­mäßig nach einem einheit­lichen Muster durch­ge­führte Rundgänge, deren Ergeb­nisse wiederum regel­ge­leitet in die Weiter­ent­wicklung der Rundgänge einfließen, gewähr­leisten eine dauer­hafte Entwicklung.

Das Erfolgs­ver­sprechen der von t&t entwi­ckelten Prozess­führung basiert nicht nur auf der Verbes­serung der spezi­fi­schen Kennzahlen, sondern auch auf der Entwicklung einer Lernhaltung in den Betrieben, die für Bewegung und Verän­de­rungs­be­reit­schaft im Unter­nehmen sorgt. Hier lernen Führungs­kräfte, Sicher­heits­fach­kräfte und Mitar­beiter, sich nicht von ihrer wissenden sondern von ihrer lernenden Seite zu zeigen. Bei einer (gemein­samen) Entwicklung von sogenannten „Lernplatt­formen“ oder „Lernset­tings“ werden die vorab als kritisch identi­fi­zierten Verhal­tens­weisen hinter­fragt und es werden gemeinsam Zielver­ein­ba­rungen zu einem sicher­heits­ge­rechten Verhalten definiert und getroffen. Alle Hierar­chie­ebenen und Mitar­beiter werden dabei für Risiken (Handlungen & Zustände) sensi­bi­li­siert und aktiv in einen ständigen Lern- und Verbes­se­rungs­prozess einbe­zogen. Die Kultur, dass man gemeinsam nach Risiken forscht und nur gemeinsam etwas bewegen kann, wird deutlich angeregt. Gemein­sames Verständnis und Handeln (Führung und Mitar­beiter) in Arbeits­si­cherheit entwi­ckelt sozusagen eine „Verant­wor­tungs­ge­mein­schaft Sicherheit”. Dabei ist ein Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­halten von Vorteil, das geeignet ist, Akzeptanz beim Gegenüber zu erzeugen, weshalb im Rahmen des vorge­stellten Programms explizit am Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­halten der Teilnehmer gearbeitet wird.

Verhal­tens­wis­sen­schaft­liche Methoden und ein hoher Anspruch an Prakti­ka­bi­lität im Unter­neh­mens­alltag liefern ausrei­chend Gründe, warum eine wertschät­zende und anerken­nende Arbeits­si­cher­heits­kultur einer eher auf Druck basie­renden Einfor­derung von sicher­heits­kon­formem Verhalten vorzu­ziehen ist. Die Errei­chung der Zielsetzung einer nachhal­tigen Einstel­lungs- und Verhal­tens­än­derung zur Arbeits­si­cherheit hängt entscheidend von der Führungs­kultur im betrach­teten Betrieb ab. Das Programm unter­stützt dabei eine moderne Führungs­kom­mu­ni­kation, um Akzeptanz für Verhal­tens­än­de­rungen zu erzeugen und Grenzen eindeutig zu markieren. Dabei sind partner­schaft­liches und verbind­liches Führen wichtige Bausteine auch im Kontext von Arbeits­si­cherheit. Klare und anerken­nende Kommu­ni­kation wird gelebt und fortlaufend ausgebaut. Schon vorhan­denes, richtiges Verhalten wird gestärkt – die Motivation für sicheres Arbeiten wächst und wird ständig lernend thema­ti­siert. Arbeits­si­cherheit erlangt als Wert eine hohe Priorität.

Nur ein gelebter, wahrnehm­barer Arbeits­schutz lässt nachhaltige Effekte erzielen und die Kultur in die gewünschte Richtung entwi­ckeln. Hierzu braucht es Führungs­kräfte (aller Ebenen), die den Arbeits­schutz konkret erlebbar in ihr Führungs­handeln und in ihre Führungs­kom­mu­ni­kation einbauen. Die Position der Sicher­heits­fach­kräfte und Sicher­heits­be­auf­tragten wird bei der Anwendung des Programms gestärkt durch ein deutli­cheres (Vor-)leben und Einfordern von sicher­heits­kon­formem Verhalten durch die Führungs­kräfte. Führungs­kräfte und Mitar­beiter entwi­ckeln gleich­zeitig ein größeres Bewusstsein für Arbeits­si­cherheit – die Arbeit der Sicher­heits­ver­ant­wort­lichen wird aktiv angefordert. Verstöße gegen Arbeits­si­cherheit werden von der Unter­neh­mens­leitung und den Führungs­kräften zu verstehen versucht und wenn nötig deutlicher sanktio­niert, sicher­heits­kon­formes Verhalten hingegen positiv verstärkt.

Quelle: VDSI Bezirks­gruppe Bergi­sches Land (Download im PDF-Format); Homepage: www.vdsi.de

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.