ttt: Tipps, Trends, Themen vom Coach – Thema: Stress-Symptom „Übermä­ßiges Verant­wor­tungs­gefühl bei Führungs­kräften“

In unserer neuen Rubrik “ttt: Tipps, Trends, Themen vom Coach” erläutert Bernd Taglieber künftig häufige Frage­stel­lungen aus seinen Coaching­sit­zungen und gibt Anregungen, die vielleicht auch für Ihren Alltag berei­chernd sind.

Ausgangslage:
Wer kennt sie nicht: Führungs­kräfte, die nicht von der Arbeit wegkommen, die nichts abgeben können – Menschen, die sich bis zur Schädigung der eigenen Gesundheit im Dauer­stress befinden. Und dies manchmal in solchem Ausmaß, dass sogar der eigene Arbeit­geber versucht, die Notbremse zu ziehen – und scheitert!

Doch wie kommt es zu dieser extremen Aufop­fe­rungs­be­reit­schaft?

Familiäre Lernpro­zesse
In der Regel startet die eigene Verant­wor­tungs­kar­riere bereits im „Trainings­lager Elternhaus“. Dort wird auf das Kind entweder viel Verant­wortung übertragen oder das Kind übernimmt diese aus unter­schied­lichen Gründen, weil es sich in die Pflicht genommen fühlt. So sieht es beispiels­weise seine Aufgabe darin, Streit bei den Eltern zu verhindern, die kleineren Geschwister zu versorgen, weil die Eltern nicht immer Zeit haben, oder es sorgt für sich und andere, um ein krankes Elternteil nicht zu belasten. Für die Übernahme dieser Funktionen erfuhr das Kind in der Regel Anerkennung oder das Gefühl, seinen Platz in der Familie zu sichern.

Der junge Mensch hat also bereits frühzeitig gelernt, dass die Übernahme bzw. das Ansich­ziehen von Verant­wortung honoriert wird und so ein entspre­chendes Verhal­tens­muster entwi­ckelt. Darüber hinaus wurde eine spezi­fische Wahrnehmung von Sachver­halten geprägt: Selbst objektive Banali­täten erlebt das Kind als drohende Dramen, die unver­züg­lichen Handlungs­bedarf erfordern. Diese Weltsicht wirkt sich im Erwach­se­nen­alter so aus: Einer­seits glaubt der Betroffene, dass die Lösung aller Probleme in seinen eigenen Händen liege. Anderer­seits entstand das Selbst­ver­ständnis, dies auch zu können.

Lernprozess in Unter­nehmen
Viele Organi­sa­tionen leben eine Kultur, in der viel Verant­wortung beim Einzelnen belassen wird. Dies geht so lange gut – bzw. wird vom Unter­nehmen als gut befunden – so lange nichts schief läuft und keine Fehler passieren. Bestimmte Unter­neh­mens­struk­turen und ‑kulturen forcieren dieses persön­liches Bedürfnis nach Verant­wor­tungs­über­nahme sogar, indem beispiels­weise Verant­wort­lich­keiten ungeregelt bleiben und dieses Vakuum von irgend jemandem ausge­füllt werden muss, damit das System am Laufen bleibt. Kombi­niert ist dieses Phänomen häufig mit Mängeln in der Führungs­kaskade. Befinden sich in höheren Positionen Führungs­kräfte, die ihrer­seits gerne Verant­wortung von sich schieben, findet sich in der Regel jemand, der die Verant­wor­tungs­lücke freiwillig ausfüllt.

Das in der Kindheit wurzelnde Muster „Für alles Verant­wortung übernehmen“ fällt in vielen Organi­sa­tionen also auf frucht­baren Boden.

Mögliche Risiken
Führungs­kräfte, oder allgemein Menschen mit einem übermä­ßigen Verant­wor­tungs­gefühl, erleben früher oder später eine der beiden folgenden Situa­tionen:

  • Trotz oder vielmehr wegen der Verant­wor­tungs­über­nahme eskalieren Themen und es gibt negative Reaktionen und Druck seitens des Unter­nehmens.
  • Die perma­nente Hochleistung aufgrund des Sich-um-alles-Kümmerns führt zur Überlastung und kann ein Burn-Out-Syndrom oder ein persön­liches Gefühl des Schei­terns zur Folge haben.

Lösungs­an­sätze
Um eine überfor­derte Führungs­kraft, deren Überbe­lastung aus dem Gefühl entsteht, für alles verant­wortlich und unent­behrlich zu sein, aus diesem Teufels­kreis zu holen, braucht es profes­sio­nelle Begleitung.

Hier gilt es zunächst, so Führungs­kräfte-Coach Bernd Taglieber von t&t, Bewusstheit für das gelernte Muster beim Klienten zu schaffen und gleich­zeitig die Verant­wor­tungs­struktur, die in der jewei­ligen Organi­sation definiert ist, zu klären. Essen­ziell, so Bernd Taglieber weiter, sei dabei die Frage „wie viel Verant­wortung hat Ihr Chef“ zu disku­tieren, um so dessen Verant­wortung in eine realis­tische Dimension zur eigenen tatsäch­lichen Aufgabe zu setzen. Auch müsse mit dem Klienten daran gearbeitet werden, frühere Erfah­rungen nicht ins Heute zu proji­zieren, um die Drama­dy­namik zu unter­brechen.

Entlasten könne den Klienten dabei die Botschaft,  dass er bereits über die Maße hinaus so viel Verant­wortung inves­tiert habe, dass seine Aufgaben bereits übererfüllt seien.

Wenn es einem Klienten gelingt, eine andere – für ihn gesündere – Einstellung zum Thema Aufga­ben­über­nahme und Verant­wortung zu erwerben, gelte es, Hinweise auf Impulse und Indizien eines anderen Verhaltens wahrzu­nehmen, um einen nachhal­tigen Verän­de­rungs­prozess einzu­leiten. Dieser bedeutet nicht nur für den Klienten eine Entlastung, wie Bernd Taglieber aus langjäh­riger Erfahrung weiß, sondern inter­es­santer Weise auch für das beruf­liche wie private Umfeld. Insbe­sondere dem Klienten naheste­hende Personen erleben die Verän­derung als ihnen neu zugestan­denen Kompe­tenz­zu­wachs.

Sich dieser Tatsache bewusst zu sein und positive Signale seitens des Umfelds zu erfahren, ist wichtig, um das innere Bild des Klienten, in eine positivere Welt ohne Verant­wor­tungs­druck zu verwandeln. Ein neues Selbst­ver­ständnis und eine andere Selbst­wahr­nehmung sind das A und O, um eine gesunde Balance zwischen Verant­wortung übernehmen und delegieren bzw. ablehnen zu schaffen.

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