„Vier Stunden Schlaf für den Mann, fünf für die Frau und mehr für die Dummköpfe“, so lautet ein bekanntes Zitat von Napoleon Bonaparte.
Eine Aussage, die bis heute in den Köpfen vieler Menschen für die Unterscheidung zwischen erfolgreichen, fleißigen und angesehenen Menschen und denen, die es weniger sind, steht.
Auch wenn die Worte von Napoleon heute nicht mehr so drastisch formuliert würden, sind Sätze wie „Schlafen kann ich, wenn ich tot bin“, „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ oder „das ist aber eine Schnarchnase“ in unserer Gesellschaft nach wie vor präsent.
Doch ist diese Sicht auf den Schlaf sinnvoll?
Nein, so lautet die klare Antwort von Herrn Dr. Hans-Günter Weeß, Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums im Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie und Autor zahlreicher Publikationen zum Thema Schlaf, im Gespräch mit Dirk Taglieber, Inhaber von t&t Organisationsentwicklung.
Dr. Weeß verdeutlich viel mehr die Wichtigkeit des Schlafs für unser Überleben.
Ohne ausreichend Schlaf sterben wir früher!
Herr Dr. Weeß ist sich sicher: „Die Natur hätte den Schlaf abgeschafft, wenn dieser unnütz wäre“. Da er aber als wichtiges Reparatur- und Regenerationsprogramm wirkt, hält er uns gesund und am Leben. Seine Bedeutung ist der von Essen und Trinken gleichzusetzen.
Währen des Schlafes finden zum Beispiel Zellteilungen und ‑erneuerungen statt, Muskelzellen werden repariert, Wachstumshormone ausgeschüttet und für die Fortpflanzungsfähigkeit gesorgt.
Erkrankungen wie Demenz, Parkinson, Schlaganfall, Stoffwechselerkrankungen oder psychische Störungen werden durch lange Zeiträume mit zu wenig Schlaf begünstigt.
Wissenschaftliche Forschungen haben gezeigt, dass wir ohne Schlaf innerhalb von vier Wochen versterben würden, weil das Immunsystem zusammenbricht.
Die gute Botschaft lautet, dass unser Körper uns hiervor schützt. Wir können nicht nicht schlafen. Ein Mindestmaß an Schlaf holt sich der Körper, solange ihn kein Laborexperiment davon abhält, aber zu wenig Schlaf, schwächt unser Immunsystem deutlich.
Schlaf zur Gesunderhaltung benötigt gesellschaftliche Wertschätzung!
„Wir bräuchten eine neue Schlafkultur“, so lautet der klare Wunsch von Herrn Dr. Weeß daher. Einerseits, weil er natürlich die oben beschriebenen kurz‑, mittel- und langfristigen Folgen für unser Immunsystem, unsere Gesundheit und Lebenserwartung im Blick hat, andererseits aber auch mit Blick auf die Arbeitswelt und die Wirtschaft, denen er mit ausgeschlafeneren Mitarbeitern weniger Fehler und weniger Krankenausfalltage prophezeit.
Doch woran liegt das? Zum einen zeigen die anfangs aufgeführten Zitate, dass Schlaf in unserer Gesellschaft viel zu wenig geschätzt ist. Vielmehr stehen Freizeitaktivitäten im Vordergrund. Bevor der frühere Weg ins Bett gesucht oder ausgeschlafen wird, widmen sich viele anderen Themen oder Aktivitäten. In der Regel beendet der Wecker das Schlafen und nicht wie zu früheren Zeiten das Ausgeschlafen-Sein. Zum anderen spielen die neuen Medien wie Smartphone & Co. eine gewichtige Rolle, nicht mehr zur Ruhe zu finden. Durch diese sind wir immer erreichbar. Viele nehmen ihr Smartphone regelrecht mit ins Bett und werden durch Surfen oder Social Talk vom Entspannen und damit gut Schlafen-Können abgehalten.
Wie schaffe ich es, besser zu schlafen?
Zwar gibt es nicht das pauschal gültige Rezept, durch den alle besser schlafen können. Hier bieten die Schlafmedizin und die Schlafprävention individuelle Wege an.
Doch hat Herr Dr. Weeß einige allgemeine Empfehlungen, die für mehr Entspannung und damit auch für ein besseres Ein- und Durchschlafen sorgen:
- Verdeutlichen Sie sich, wie wichtig Schlaf für Ihre Gesundheit und Ihr Wohlfühlen ist
- Lassen Sie Blaulichtquellen mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen weg
- Sorgen Sie für gedämpftes Licht
- Für Spätesser: ziehen Sie Ihr Abendessen vor
- Sorgen Sie für Schlafrituale, die Sie persönlich zur Ruhe bringen, wie z.B. Lesen oder ein nicht zu aufregendes Hörbuch hören.
- Nutzen Sie Entspannungstechniken, die Sie vom Tag abschalten und in den Schlaf gleiten lassen
- Bauen Sie Schlafdruck auf und vermeiden Sie alles, was diesen Druck reduziert, wie beispielsweise einen Mittagsschlaf
Wie schaffe ich es, besser zu schlafen, wenn ich im Schichtdienst arbeite?
Natürlich gelten auch für Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, die genannten Empfehlungen. Für sie hat Dr. Weeß darüber hinaus noch weitere Tipps parat, wobei er auch hier unterstreicht, dass jede Schlafstörung individuell zu behandeln ist und es 1000 Wege zum besseren Schlaf gibt.
Ein gewichtiger Stellhebel ist bei den Beschäftigten mit Schichtarbeit, ein Stopp des Gedankenkarussells. Denn Schichtarbeitende seien laut Dr. Weeß die „Weltmeister im Grübeln“.
Daher lautet hier sein konkreter Tipp: „Ziehen Sie das Grübeln vor!“.
Pragmatisch umgesetzt bedeutet das, gehen Sie die Themen und Probleme, die Sie beschäftigen, aktiv vor dem Zubettgehen an, durchdenken und durchkneten Sie diese und zwar so lange, bis sich bei Ihnen das Gefühl einstellt „jetzt reichts“. Eine andere Möglichkeit ist, sich die Probleme aufzuschreiben und dann vor die Schlafzimmertür zu legen.
Dann sollten Sie mit sich die Vereinbarung treffen, erst nach dem Aufwachen, wieder darüber nachzudenken.
Eine weitere Möglichkeit, das Grübeln zu unterbinden, lautet, dem Gehirn eine „Beschäftigungsalternative“ zu geben. Dies könnte durch das Hervorrufen von sehr konkreten Bildern von schönen Erlebnissen geschehen. „Beamen“ Sie sich also beispielsweise in Ihren letzten schönen Urlaub hinein, denken Sie daran, wie sich die Sonne auf der Haut angefühlt, das Meer gerauscht, der Sand zwischen Ihren Zehen gerieselt und das Essen geschmeckt hat, etc.. Stellen Sie sich dies alles sehr konkret, sehr detailliert, alle Sinne spürend und sehr plastisch vor.
Somit ist ihr Gehirn beschäftigt, kommt nicht auf „dumme“, Sie vom Schlaf abhaltende Gedanken und Sie können entspannt in einem tiefen und erholsamen Schlaf ankommen.
Darüber hinaus empfiehlt Herr Dr. Weeß, Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, unbedingt Schlaf vorzuziehen bzw. aufzuholen. Das, was andere auf jeden Fall vermeiden sollten, dürfen bzw. sollen Schichtarbeitende auf jeden Fall: unbedingt ausschlafen, wenn sich die Möglichkeit bietet, Schlaf nachholen, wann immer es geht, vor der Nachtschicht 1–2 Stunden schlafen, nach der Nachtschicht erst zu dem Zeitpunkt aufstehen, den man dafür vorgesehen hat, und nicht früher aufstehen, wenn man meint, man können nicht noch einmal einschlafen.
Gönnen Sie sich also den Schlaf, den Sie benötigen und freuen Sie sich auf ein neues Lebensgefühl, in dem Sie sich gesünder, produktiver und leistungsfähiger fühlen.
Weitere Information zu diesem Thema erfahren Sie auch in der aktuellen Episode unseres Podcast, in der Dr. Hans-Günter Weeß als Experte zu Gast ist – hören Sie doch mal rein!
Zu Dr. Hans-Günter Weeß:
Herr Dr. Weeß besitzt sowohl in der klinischen als auch wissenschaftlichen Schlafmedizin ein hohes Maß an Erfahrung und ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen.
Er ist in der Aus- und Weiterbildung von Schlafmedizinern tätig und unterrichtet an verschiedenen Universitäten, Hochschulen, psychotherapeutischen Schulen und ist im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).
Aktuell ist er Delegierter der DGSM für die Neuentwicklung der AWMF-Leitlinie Schichtarbeit der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM).
Berufliche Qualifikationen: Diplom Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Somnologe (DGSM), Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums des Pfalzklinikums.