Erwische Deine Mitar­beiter bei Dingen, die Dir positiv auffallen!

„Hab‘ ich Dich erwischt!“ – so starten in unserer Erinnerung die Sätze, die uns unsere Eltern in Situa­tionen zugerufen haben, die wir nicht als sonderlich schön in Erinnerung haben. In der Regel waren das Momente, in denen wir, anstatt Hausauf­gaben zu machen, Fußball gespielt haben oder anstatt auf das gesunde Mittag­essen zu warten, heimlich Schokolade genascht haben.

Und nun ruft die Überschrift dieses Artikels dazu auf, dass Sie Ihre Mitar­beiter bei etwas Positivem erwischen sollen. Wahrscheinlich fragen Sie sich jetzt was das soll. 

Warum „erwischen“?

In der Tat ist der Begriff „Erwischen“ negativ konno­tiert. Nicht nur als Kind, auch im Erwach­se­nen­alter fühlen wir uns ertappt oder eben erwischt, wenn uns jemand auf einen Fehler hinweist, unser Verhalten kriti­siert oder uns auf einen Regel­verstoß hinweist.

Trotzdem haben wir diesen Begriff gewählt, weil dieser drei Aspekte beinhaltet, die uns wichtig erscheinen: zum einen das bewusste Wahrnehmen eines Verhaltens, zum zweiten das Kommu­ni­zieren dieser Wahrnehmung und zum dritten das inhalt­liche wie emotionale Ankommen dieser Botschaft beim Gegenüber.

Diese drei Aspekte wollen wir uns zunutze machen und in dem Falle für unsere, positiven Zwecke umdrehen.

Wie verhält es sich mit unserer Wahrnehmung?

Aus über zwanzig Jahren Erfahrung als Organi­sa­ti­ons­ent­wickler wissen wir, dass der überwie­gende Anteil der Kommu­ni­kation, die über bloßen Austausch von Sachin­halten hinausgeht, einen eher negativen Anlass hat. Da einer der Schwer­punkte unserer Arbeit in der Weiter­ent­wicklung der Sicher­heits­kultur liegt, können wir das an folgendem Beispiel verdeut­lichen: in der Regel sind die Anlässe über Arbeits­si­cherheit zu sprechen, die Folgenden: es ist ein Unfall passiert, ein Mitar­beiter hat gegen Regeln verstoßen, das Verhalten eines Mitar­beiters wirkte gefährlich, oder ähnliches.

Aller­dings, auch das spiegelt unsere Erfahrung wider, der überwie­gende Anteil des Verhaltens der Mitar­beiter sieht gänzlich anders aus: Die Mitar­beiter denken mit, sind engagiert und verhalten sich vorsichtig und umsichtig. Das Positive überwiegt das Negative also bei Weitem.

Die Themen, über die gesprochen wird, bilden also nur einen minimalen Auszug aus der tatsäch­lichen Realität. Die Themen hingegen, über die nicht gesprochen wird, stellen den eigentlich großen Anteil dar. Nur: wir sprechen nicht darüber. Und meistens nehmen wir es auch nicht einmal wahr.

Warum man das Negative gleich sieht, das Positive hingegen nicht

Es ist spannend, selbst wenn wir in unseren Trainings und Workshops bei Kunden den Teilnehmern die Aufgabe geben, sich nur auf positives Verhalten von Mitar­beitern zu konzen­trieren und mögli­cher­weise Negatives (jetzt hier, zu Trainings­zwecken) auszu­blenden und die Mitar­beiter, bei denen diese Übung statt­findet, uns einen großen Strauß an positiven, konkreten Verhal­tens­de­tails schenken, wird deutlich, wie schwierig das den Betei­ligten fällt.  Überwiegend melden uns die Teilnehmer zurück, dass sie „sofort etwas Negatives“ gesehen hätten und dass es ihnen „total schwer“ gefallen sei, sich auf das Gute zu konzen­trieren.

Natürlich passiert das nicht aus Bösar­tigkeit oder Unwille, sondern schlichtweg deshalb, weil wir in unserer Kultur seit Kindes­beinen trainiert sind, das Optimie­rungs­würdige zu erkennen, um es dann zu verbessern. Alles andere (also das, was gut und rund läuft) wird als selbst­ver­ständlich wahrge­nommen und läuft in unserem Bewusstsein unter der Rubrik „dem muss ich keine Aufmerk­samkeit schenken“.

Doch ist das, was funktio­niert, wirklich selbst­ver­ständlich?

Und welche Auswir­kungen hat es auf eine (Unter­nehmens-) Kultur, sich nahezu nur mit dem zu beschäf­tigen, was nicht gut läuft?

Auch hier kennen wir unendlich viele Beispiele, in denen sich Führungs­kräfte darüber beklagt haben, dass ihre Mitar­beiter „zu Beginn der Schicht den Kopf beim Pförtner abgeben würden“, „dass ohne ihre Anweisung nichts, aber auch gar nichts funktio­niere“ oder „dass sie ihre Mitar­beiter wie Felsblöcke hinter sich herziehen müssten“. Viele Führungs­kräfte melden also zurück, dass sie frustriert und ausge­laugt seien und keine Idee mehr hätten, wie sie ihre Mitar­beiter zu mehr Mitdenken und Eigen­ver­ant­wortung „bringen“ könnten. Mitar­beiter klagen hingegen, dass sie in der Vergan­genheit viel Engagement gezeigt hätten, dies aber überhaupt nicht wahrge­nommen worden sei und schon gar keine Wertschätzung erhalten hätte.

Umso größer die Überra­schung bei allen Betei­ligten, wie schnell es Wirkung zeigt, wenn man sich darauf einlässt, den Fokus auf das Funktio­nie­rende zu lenken und sich gegen­seitig dafür Anerkennung zu zollen. 

Warum es wichtig ist, dass Positive nicht nur zu sehen, sondern auch anzusprechen

Ein kleiner Ausflug in die Verhal­tens­wis­sen­schaft unter­mauert den Appell „Erwische Deine Mitar­beiter bei positiven Dingen“.

Das Modell der psycho­lo­gi­schen Grund­be­dürf­nisse nach Eric Berne

Genauso wie wir Menschen genügend Nahrung, Flüssigkeit und Schlaf benötigen, um zu überleben, hungern und dürsten wir auch – auf psychi­scher Ebene – nach ausrei­chend Stimu­lation, Struktur und Anerkennung. Geraten diese drei genannten Bedürf­nisse länger­fristig aus dem Gleich­ge­wicht und/oder sind zu wenig erfüllt, werden wir Menschen krank.

Insbe­sondere dem Thema Anerkennung wollen wir hier in diesem Artikel unsere Aufmerk­samkeit widmen, denn mit einem bewussten Schenken von Anerkennung und Wertschätzung können wir Verhalten verstärken.

Warum ist das so?

Was unser Verhalten steuert

Nun, wir Menschen richten unser Verhalten an zwei Aspekten aus:

  1. Der Unmit­tel­barkeit der Reaktion bzw. Konse­quenz, die auf ein Verhalten erfolgt und
  2. Der Eintritts­wahr­schein­lichkeit dieser Reaktion bzw. Konse­quenz

Wenn wir wieder ein Beispiel aus der Arbeits­si­cherheit bzw. Gesundheit nehmen, so können wir feststellen, dass Menschen, wenn Sie am Schweißen sind, in der Regel ihr Augen­licht bewusst schützen, weil sie wissen, dass beim Schweißen ohne Schutz mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit und unmit­telbar die Konse­quenz (Verblitzen) zu spüren ist. Auf der anderen Seite passt das Beispiel vom Rauchen. Hier wissen die meisten Raucher natürlich, dass Rauchen zu schweren Erkran­kungen führen kann, aber sie wissen auch, dass das zum einen noch zwanzig, dreißig Jahre dauern kann (also nicht unmit­telbar ist) und auch, dass es einige Beispiele gibt, in denen Menschen nie an den Folgen des Rauchens erkrankt sind und ein langes Leben hatten, dass man also mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit langfristig gesund bleibt.

Und wenn wir nun dieses Wissen, was unser Verhalten steuert, mit dem Wissen um den psycho­lo­gi­schen Grund­hunger nach Anerkennung verknüpfen, so können wir in vielen Fällen besser verstehen, warum wir selbst und andere sich in bestimmten Situa­tionen auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Oder um es auf ein Unter­nehmen zu übertragen: wie sich eine Unter­neh­mens­kultur entwi­ckelt hat, und wo Ansatz­punkte sind, diese zu verändern.

Haben Mitar­beiter beispiels­weise in der Vergan­genheit (mehrfach) erfahren, dass sie sich engagiert haben und das scheinbar keiner zur Kenntnis genommen hat, also eine ausblei­bende Reaktion, haben sie gelernt, dass sich zu engagieren wohl für sie nicht lohnt. Gab es in der Vergan­genheit vielleicht sogar einen Rüffel, also eine negative Reaktion, für Eigen­in­itiative – ein häufig gehörtes Zitat hierfür lautet „Du bist hier zum Arbeiten und nicht zum Denken“ – haben sie gleich­falls gelernt, dass Eigen­in­itiative besser zu unter­lassen ist.

Wird uns dieser Mecha­nismus bewusst, können wir unsere eigene Einstellung überdenken, und entscheiden, worauf und wie wir künftig reagieren wollen, und unser eigenes (Anerken­nungs-) Verhalten in eine andere Richtung entwi­ckeln.

Was bringt es, positives Verhalten anzusprechen?

Zeigen wir also deutlich, welches Verhalten wir gerne von unseren Mitar­beitern hätten, indem wir diesen dafür Anerkennung und Wertschätzung schenken, passieren mehrere Dinge auf einmal:

  1. Wir verstärken das gewünschte Verhalten
  2. Wir wecken Motivation und Freude beim Mitar­beiter
  3. Und bekommen dafür noch mehr Engagement vom Mitar­beiter geschenkt!

Oder, in den Worten der Trans­ak­ti­ons­ana­ly­ti­kerin Angelika Glöckner: „Es wächst das, was Du gießt“ 

Wichtig ist an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass Anerkennung und Wertschätzung nicht nur „Loben“ heißen. Vielfach äußern Menschen die Sorge, „jetzt muss ich ständig und immer loben“, „das sind doch erwachsene Menschen, denen kann ich doch nicht die ganze Zeit auf die Schultern klopfen“, oder „die denken doch, ich will sie veralbern, wenn ich ihnen sage, wie toll es ist, dass sie ihre Sicher­heits­schuhe anhaben“, usw.

Nein, Anerkennung und Wertschätzung drücken sich in viel mehr Formen aus, als die meisten spontan denken, beispiels­weise durch ein „Danke“, ein Lächeln, ein „Daumen hoch“, durch Zuhören, ernst nehmen, sich kümmern, Vertrauen zeigen, … und natürlich auch durch Loben, aber eben nicht ausschließlich.

Wenn wir diese Formen der Anerkennung wieder bewusster einsetzen, haben wir viel gewonnen, auch für uns, denn bekanntlich lächelt die Welt, die wir anlächeln, öfters auch zurück.

Selbst das Ansprechen von kriti­schen Sachver­halten hat viel mit Anerkennung zu tun, denn auch hier zeige ich ja, dass ich Interesse am anderen habe und ihm Verbes­se­rungen zutraue. Logischer­weise wird es auch in einer Welt, in der die Aufmerk­samkeit stärker auf dem Positiven als auf dem Negativen liegt, nicht darum gehen, nie mehr Kritik äußern zu dürfen. Wir wollen ja besser werden und daher sollen und dürfen die Poten­ziale auch gesehen und angesprochen werden. Das Funktio­nie­rende soll nur nicht hinten runter­fallen!

Wie sieht Ihr „Trainingsplan“ zur gewünschten Verän­derung aus?

Weiter oben im Artikel haben wir erwähnt, dass wir Menschen sehr trainiert darin sind, Negatives oder besser formu­liert, das Verbes­se­rungs­würdige zu sehen. 

Trainiert sein, heißt, eine tiefsit­zende Verhal­tens­ge­wohnheit zu haben, die aller­dings – und das ist die gute Nachricht – auch wieder umgelernt werden kann. Hierfür braucht es möglichst viel Training und einen kleinen Trainingsplan:

Trainings­schritt Nr. 1 heißt ab nun: Bemerken Sie, wenn jemand kosten­be­wusst ist oder teambe­wusst handelt, wenn jemand einem Kollegen hilft, oder ähnliche positive und damit erhal­tens­werte Verhal­tens­weisen aufzeigt.

Trainings­schritt Nr. 2: Sprechen Sie diese Verhal­tens­weisen an. Denn dadurch merken ihre Mitar­beiter, worauf Sie Wert legen. Das, was Sie möchten, was Ihnen wichtig ist, wird dadurch als Verhalten verstärkt.

Und nein, es geht nicht um „immer“ und „ständig“ Ansprechen, sondern um „häufiger“ und „bewusster“.

Wichtig ist darüber hinaus, auch mit sich selbst geduldig und tolerant zu sein. Denn wie bei jedem Lern- und Trainings­prozess bedeutet es auch hier, zu üben und auszu­pro­bieren, welche Wortwahl für einen stimmig ist, welche Form der Anerkennung passend erscheint und zu schauen, was beim Gegenüber gut ankommt oder eventuell eher Irritation erzeugt. Letztlich gilt auch hier der alte Spruch, dass Erfolg drei Buchstaben hat: T‑U-N.

Also: erwischen Sie Ihre Mitar­beiter bei Positivem, zeigen Sie Ihre Freude darüber, und Sie werden merken, dass Ihnen die Mitar­beiter viel mehr Power und Motivation schenken.

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